“Und am Ende des Tages sollten Deine Füße dreckig, dein Haar zerzaust und deine Augen leuchtend sein.“
Es war einmal eine Studentin, die auszog, das Leben als Garten- und Landschaftsbauer*in kennen zu lernen. Wiebke Knoche aus Stockstadt am Rhein hat vor einiger Zeit ein 5 wöchiges Praktikum bei uns gemacht. Da sie Journalistin werden möchte, hat sie diese außergewöhnliche Erfahrung in Worte gefasst, die uns wirklich berührt haben.
Montagmorgen, 6:20 Uhr…
Es ist ein Montagmorgen im August, 6.20 Uhr, viel zu früh. Und doch bin ich hellwach.
Ich möchte Journalistin werden, habe in meinem 22-jährigen Dasein bisher ausbildungstechnisch alles auf dieses Ziel ausgerichtet.
Nun befinde ich mich in den Lagerhallen der Firma Baumann Gärten & Freiräume GmbH in Griesheim, wo ich in den nächsten fünf Wochen im Garten- und Landschaftsbau arbeiten werde.
Noch nie war ich meinem Berufsziel so fern, nie zuvor war ich mir in einem Vorhaben sicherer.
Alles nur Klischees?
Das Klischee besagt, Bauarbeiter seien entweder extrem gut gebaut und ausgesprochen attraktiv oder sie sind furchtbar dick und trinken den ganzen Tag schales Bier.
Ich bin kein Fan von in der Gesellschaft verankerten Vorurteilen, vor allem nicht, wenn sie Menschen in Schubladen stecken.
Auch aus diesem Grund habe ich mich für ein Praktikum auf der Baustelle entschieden.
Ich wollte nicht nur in einen Beruf reinschnuppern, in dem es gilt anzupacken und aus körperlicher Kraft etwas entstehen zu lassen, sondern…
..Ich wollte ihn kennenlernen – den Bauarbeiter.
Ich muss gestehen, dass ich allerdings selbst mit einigen Bedenken gestartet bin.
- Würde es abschätzende Bemerkungen bezüglich meines doch eher geringen Oberarmumfangs geben?
- Traute man mir in dem männerdominierten Berufsfeld als vollkommen unerfahrene Frau überhaupt etwas zu?
Zu meiner Erleichterung stellten sich alle Befürchtungen bereits am ersten Tag als überflüssig heraus.
Kritisch musternde Blicke? Fehlanzeige.
Stattdessen: Kein lautes, aber ein warmes Willkommen mit dem ehrlich übermittelten Gefühl, dass ich nun – zumindest für die Dauer von fünf Wochen – ein echter „Baumann“ war.
Und auch die Sache mit dem nicht vorhandenen Bizeps wurde zwar immer mal wieder scherzhaft thematisiert und aus nächster Nähe betrachtet, verlor jedoch in Hinblick auf die Arbeit schnell an Relevanz.
Tatsächlich lernte ich, dass ein Bizeps nur funktioniert, wenn auch das Brain am Start ist.
Vor allem dann, wenn es um eine effektive Arbeitsweise oder den Umgang mit unvorhergesehenen Schwierigkeiten geht.
Und vollkommen unerwartet merkte ich schnell, dass das Arbeiten mit Männern sehr entspannt sein kann:
Klare Ansagen, zielführende Diskussionen, kein Mitleid.
Die oben angesprochenen Stereotype kann ich zu Teilen bestätigen.
Die innere Mitte
Um es kurz zu machen: Definierte Arme waren bei all meinen Kollegen vorhanden, ein kleiner bis ordentlicher Bauch in den meisten Fällen jedoch auch.
Dass dieser einzig aus Bier gemacht ist möchte ich an dieser Stelle dementieren, was nicht bedeutet, dass der Bauarbeiter nach Feierabend nicht gerne seinen Durst mit Gerstensaft stillt.
Tatsächlich kann eine starke innere Mitte jedoch enorm nützlich sein, wenn es darum geht stabil zu stehen und der Kraft der Geräte Widerstand zu leisten.
Das erkannte ich schnell als ich im Kampf mit den schweren Gerätschaften mehrmals den Kürzeren zog.
Am Auspuff des „Frosch“, der zum Verdichten von Boden genutzt wird, verbrannte ich mir das Bein.
Die wohl schmerzhafteste Erfahrung machte ich mit einer Schubkarre, die ich mit Pflastersteinen überfüllte und im Folgenden nicht mehr halten konnte, sodass wir gemeinsam auf den Boden donnerten.
Damit bekam ich, was ich wollte: Alle Facetten des Garten- und Landschaftsbau.
Sich nützlich fühlen und Fortschritte sehen
Doch viel nennenswerter waren die vielen positiven Momente, in denen ich mich so richtig nützlich fühlte, weil ich den Fortschritt meiner Arbeit live beobachten konnte.
Ich habe Steine verlegt, die später zu einer Mauer oder einem Parkplatz wurden.
Ich habe zum ersten Mal in meinem Leben gesehen, wie Rollrasen funktioniert – der mich stark an überdimensionales Sushi erinnerte – und war begeistert von der schnellen Transformation einer Fläche von braun zu saftig grün.
Ich bin Radlader und Sprinter gefahren – entsetzte bis ungläubige Blicke von Passanten inklusive.
Auch mit dieser veralteten Denkweise, dass Frauen so etwas nicht können oder tun sollten, gilt es dringend aufzuräumen.
Ein wenig mehr weibliche Power würde die handwerklichen Berufe sicherlich erfrischen.
Ich habe gerecht, geschippt, gegraben, Material von A nach B und wieder von B nach A getragen.
Ohne Umweg zum Ziel
Doch alles mit Grund und nach festem Plan: Noch nie habe ich eine Tätigkeit ausgeübt, die sich auf so wenigen Umwegen zum Ziel bewegt.
Diese Tatsache sowie der Aspekt, dass man am Ende des Tages immer den Erfolg seiner Arbeit sieht, machen wohl die Attraktivität des Berufes aus.
Ich bin unglaublich froh all diese Erfahrungen gemacht zu haben, in ein Berufsfeld eingetaucht zu sein, dass so vielfältig und abwechslungsreich ist, wie die Menschen, die dahinterstecken.
Was bleibt?
Für mich vor allem der Respekt für das, was im Garten- und Landschaftsbau täglich geleistet wird sowie die Erkenntnis, dass es sich immer lohnt Neues auszuprobieren und sich ein eigenes Bild zu machen.